Wenn der Herbstblues auf Corona trifft: Hilfe zur Selbsthilfe

Der Herbst 2020 fordert auf verschiedenen Ebenen. Mit den kürzer und trüber werdenden Tagen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine gedrückte Stimmung. Immerhin jede/r fünfte Erwachsene leidet im Herbst sogar unter dem sogenannten Herbstblues. Das Leid nimmt zu, trifft dieser auf Corona und seine Maßnahmen. Die gute Nachricht: Wir sind dem nicht ausgeliefert. Folgende zwölf Tipps werden helfen.

Ein wesentlicher Grund für das saisonale Stimmungstief oder eben den Herbstblues  ist der Mangel an Tageslicht. Im Herbst reduziert unser Körper grundsätzlich die Produktion des Hormons Serotonin und schüttet gleichzeitig vermehrt das Schlafhormon Melatonin aus. Herbstbluesbetroffene fühlen sich müde und schlapp, haben ein erhöhtes Schlafbedürfnis, geringen Antrieb, Stimmungsschwankungen und Heißhunger auf Süßigkeiten. Alles erscheint trüber als sonst und das Gefühl in einen Tunnel einzufahren bestimmt die Gedanken. Für alle Herbstbluesgeplagten habe ich ein paar Tipps mitgebracht. Es sei aber auch erwähnt, dass der Übergang zur klinischen Depression schleichend sein kann und diese unbedingt einer professionellen Behandlung bedarf. Scheuen Sie sich nicht, gerade in diesen Zeiten, Unterstützung zu holen.

 

Tipp #1: NACH DRAUßEN GEHEN

Gehen Sie so oft wie möglich ins Freie. Tun Sie es den Hundehaltern/innen gleich und bewegen Sie sich bei jedem Wetter an der frischen Luft. Nicht nur Ihr Immunsystem wird es Ihnen danken. Je mehr Tageslicht auf Ihre Sehnerven treffen, umso größer die Wirkung. Denn die Nerven signalisieren Ihrem Körper die Melatoninproduktion zu unterdrücken. Als Konsequenz werden Sie sich weniger müde und schlapp fühlen. Im Übrigen: Das natürliche Tageslicht ist selbst an trüben Herbsttagen noch drei- bis viermal stärker als eine durchschnittliche Raumbeleuchtung. 

 

An sonnigen Tagen ist der Aufenthalt im Freien besonders ratsam. Das Sonnenlicht erhellt nicht nur unsere Stimmung, sondern fördert zudem die Vitamin D Produktion. Und Vitamin D ist wichtig für Immunsystem und Knochen. Ein Spaziergang von mindestens 20 Minuten pro Tag wird empfohlen. In der Nahrung kommt das Vitamin übrigens unter anderem in Käse, Pilzen, Eiern, Lachs, Makrelen und Heringen vor.

 

Tipp #2: BEWEGUNG

Selbst wenn die Couch im Herbst besonders verlockend erscheint, bewegen Sie sich. Sport kurbelt die Endorphin- und Serotoninproduktion an und kompensiert ein Stück weit den saisonalen Mangel. Am besten eignet sich - aus oben genannten Gründen - Bewegung an der frischen Luft. Außerdem gilt: Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung.

  

Tipp #3STRUKTUR

Selbst wenn so mancher graue Tag gewichtige Argumente vorbringt, um im Bett zu bleiben: Stehen Sie zur gewohnten Zeit auf, stecken Sie sich ein Ziel für den Tag, ziehen Sie etwas Schönes an, gehen Sie zur (virtuellen) Arbeit, widmen Sie sich Ihrem Hobby und treffen Sie Freunde/innen (online). Struktur ist wichtig, wenn unsere Stimmung im Keller ist. Sie gibt uns Halt und lässt wenig Zeit zum Grübeln. 

  

Tipp #4: ESSEN

Nicht nur das oben beschriebenen Vitamin D können Sie über die Nahrung ergänzen, auch andere Stoffe unterstützen unsere Psyche. Magnesium beispielsweise ist für unsere Stimmung von entscheidender Bedeutung. Es kommt unter anderem in Vollkornprodukten, Bananen, Nüssen, Linsen und Trockenfrüchten vor.

 

Ein weiteres wichtiges Vitamin für unser Wohlbefinden ist die Folsäure. Sie ist an der Bildung von Serotonin beteiligt und findet sich in Lebensmitteln wie Broccoli, Rote Beete, Ananas, Bananen und Fisch wieder. Auch Schokolade darf sein. Dunkle Schokolade mit einem Kakaoanteil von über  70% eignet sich besonders gut. Nebenbei bemerkt: Lassen Sie sich gerne auch wieder einmal bekochen. Das soll die Wirkung der Nährstoffe verstärken. ;-)

 

Tipp #5: AROMATHERAPIE

Auch die Aromatherapie weiß Rat. Ingrid Karner, diplomierte Aromapraktikerin und Referentin für Aromatherapie, empfiehlt gegen den Herbstblues Zitrusöle wie Bergamotte und Zitrone in den Alltag einzubauen. Das Bergamotteöl ist als der "Lichtbringer" schlechthin bekannt und gilt in der Wissenschaft als serotoninspiegelsteigernd. Neben der klassischen Raumbeduftung (bei einer Raumgröße von 25 Quadratmetern ca. 6-12 Tropfen in eine Duftlampe geben) kann auch ein Tropfen des Öls auf ein Taschentuch geträufelt und direkt inhaliert werden. Alternativ empfiehlt die Expertin ein Taschentuch mit dem Tropfen Bergamotteöl direkt vor die Tastatur des Computers zu legen. Der Duft steigt im Raum auf und wird Ihre Stimmung erhellen. Ähnliches gilt für das Öl der Zitrone. Eine japanische Studie beispielsweise bestätigt dessen stimmungsaufhellende Wirkung und die Steigerung der Produktivität bei reduzierter Fehlerquote. Räume, die mit Zitronenöl beduftet werden, werden darüber hinaus als hell und sauber beschrieben und Arbeitnehmer/innen, die sich in diesen Räumen aufhalten, als kompetenter wahrgenommen, verrät Ingrid Karner. Was für ein toller Nebeneffekt! ;-)

 

Und noch ein kleiner Zusatztipp von der Aromapraktikerin: Sie können einen Tropfen Bergamotteöl oder Zitronenöl auf einen Teelöffel Birkenzucker träufeln, die Mischung in einen Liter Wasser auflösen und über den Tag verteilt trinken. Hier wirken die Öle von innen und regen zusätzlich die Nierentätigkeit an. Bitte beachten Sie, dass Sie 100%-ig naturreine ätherische Öle verwenden und Sie sich für eine umfangreiche Beratung an ausgebildetes aromatherapeutisches Fachpersonal wenden.

 

Tipp #6: IN KONTAKT BLEIBEN

Der Mensch als soziales Wesen braucht andere, um zu gedeihen. Wenn körperliche Nähe momentan nicht möglich ist, nutzen Sie Telefon, Videotelefonie, soziale Medien oder E-Mails, um sich mit anderen auszutauschen. Das reduziert nicht nur das Gefühl von Einsamkeit, sondern stärkt die Beziehung (gemeinsam durch dasselbe Schicksal zu gehen verbindet) und hilft beim Einordnen der eigenen Erlebnisse. Wie sehe ich die Situation? Wie sehen sie andere?

 

Tipp #7: GEMEINSAME FREIZEIT

Familien sind gerade vorwiegend damit beschäftigt, Aufgaben aufzuteilen. Was zu kurz kommt ist meist gemeinsame Freizeit. Zusammen spazieren zu gehen, zu spielen, zu tanzen oder einfach nur die Seele baumeln zu lassen sind wichtige Elemente, um die gestiegenen Herausforderungen nicht durchhalten zu müssen, sondern auch mit Leben zu füllen. Wichtig: Alleinlebende brauchen mindestens genauso viel zwischenmenschliche Seelenstreichelzeit. Vielleicht gibt es die Möglichkeit sich mit Nachbarn auszutauschen? Über die Balkone hinweg lässt sich auch ein Gefühl von Gemeinschaft entwickeln. Vieles ist momentan anders, aber nicht unmöglich. 

  

Tipp #8: RÜCKZUGSMÖGLICHKEITEN

Zeit allein zu verbringen ist in jedem Fall eine wichtige Quelle der Balance. Auch wenn viele Familienmitglieder auf engem Raum zusammenleben, braucht es immer wieder Zeit allein, um Gedanken zu sortieren und Ruhe zu finden. Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen, wie Sie für jedes Familienmitglied Rückzugsmöglichkeiten schaffen können. Ist das gelungen, braucht es nicht unbedingt eine aktive Tätigkeit, um sich zu erholen. Gerne wird momentan propagiert, sich Zeit für die Persönlichkeitsentwicklung zu nehmen. Oft fehlt die Zeit für intensives Auseinandersetzen mit den "großen" Themen. Keine Sorge, die Persönlichkeit entwickelt sich ganz nebenbei. Setzen Sie sich nicht unter Druck und genießen Sie statt dem fünften Online-Persönlichkeitstraining einfach die Stille des Augenblicks.

 

Tipp #9: TAGESLICHTLAMPE

Tageslichtlampen sind kein Ersatz für den Aufenthalt im Freien, können aber an besonders trüben Tagen das fehlende Licht kompensieren. Bitte achten Sie beim Kauf der Lampen auf Qualitätsunterschiede. Ein Solariumbesuch ersetzt übrigens weder das Tageslicht noch die Tageslichtlampe. Da das Licht bei einer Lichttherapie über den Sehnerv aufgenommen werden muss und im Solarium eine Brille zum Schutz vor den UV-Strahlen nötig ist, eignet sich das Solarium nicht als Lichttherapie.

 

Tipp #10: TAGEBUCH FÜHREN

Tagebuch zu führen ist ein bewährtes Mittel, um Gedanken zu sortieren. Negatives wird abgelegt und Gutes schriftlich festgehalten. Achtung: Es müssen keine seitenlangen Tagebucheinträge sein, meist genügen wenige Minuten der Reflexion. Entweder Sie nehmen dazu ein leeres Notizbuch oder Sie halten Ihre Gedanken zum Beispiel in meinem Tagebuch "365 Tage Leben - Ihr Tagebuch für das Wesentliche" fest. Tägliche fünf Minuten genügen und Sie werden nicht nur diese außergewöhnliche Zeit einfangen, sondern ganz nebenbei die Wirkung unzähliger Inputs, Übungen und Impulsfragen erleben.

 

Tipp #11: NICHT DURCHHALTEN, LEBEN

In diesen Tagen werden wir von unterschiedlichsten Seiten dazu aufgefordert, durchzuhalten. Was in vielen Disziplinen wie dem Sport beispielsweise ein guter Motivationsgedanke ist, möchte ich im Zusammenhang mit der Pandemie durch etwas Wesentliches ergänzen: LEBEN SIE. Warum das einen Unterschied macht?

1. Durchhalten können wir nur begrenzt.

2. Solange wir die derzeitigen Umstände nicht annehmen, verlieren wir einen Teil unserer Energie. Anpassung in seiner kreativsten Form geschieht erst dann, wenn wir die Gegebenheiten akzeptieren.

3. Durchzuhalten schätzt die gegenwärtige Zeit gering. Sie ist Teil unseres Lebens und nicht nachzuholen.

4. Der Aufruf zum Durchhalten könnte irrtümlich die Hoffnung wecken, wir werden irgendwann zur ursprünglichen Normalität zurückkehren.

5. Wer nur durchhält bündelt seine „letzte Kraft“ und läuft Gefahr zu glauben, ein Gestalten der Umstände sei unmöglich.

6. Durchzuhalten verleitet dazu, schneller zu „verfallen“ bzw. sich gehen zu lassen. Zur Erinnerung: Kleine Schritte in der Krise können der nötige Kickstarter für die Zeit danach sein.

7. Versuchen wir durchzuhalten und die Maßnahmen werden wieder restriktiver, kann das zu Enttäuschungen, gedanklicher Lähmung bis hin zu einer Opferhaltung führen.

8. Bei einem Marathon, den wir zweifelsohne zu bestreiten haben, ist es wenig zielführend die LäuferInnen von Beginn an zum Durchhalten aufzufordern. Trauen wir uns den Lauf ruhig zu, wir haben Erfahrung.

 

Tipp #12: KUMMERNUMMER

Alleine durch diese Zeit zu gehen ist wohl eine der größten Herausforderungen überhaupt. Vom Alleinsein, das wichtig für unsere Regeneration ist, zur Einsamkeit ist es oft nicht weit. Lassen Sie mich daran erinnern: Sie sind nicht alleine. Professionelle Hilfskräfte stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Anonym und kostenlos wird Ihnen rund um die Uhr geholfen. Nützen Sie dieses Angebot, wenn gerade alles zu viel wird. Gedanken haben besonders in der Einsamkeit die Eigenschaft zu quälen und zu erklären, es gäbe keinen Ausweg. Sorgen Sie gut für sich und sprechen Sie mit anderen über Ihre Gemütslage. Oft sind sogar Inputs von neutralen Personen besonders hilfreich, um wieder klarer zu sehen.

 

Alles Liebe für diese herausfordernde Zeit und denken Sie, wann immer Sie diese Techniken ausprobieren:  Es kommt auf den Versuch und Ihr persönliches Blues-Hilfe-Paket an.

 

Bleiben Sie oder werden Sie schnell wieder gesund!

 

Herzlichst, Tamara Nauschnegg

 


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