Warum ich wie Thomas Edisons Mutter sein möchte

Der große Erfinder Thomas Alva Edison ging bekanntlich in die Weltgeschichte ein. In seinen 84 Lebensjahren meldete er 1093 Patente an, etablierte sich als Geschäftsmann und vermarktete seine Erfindungen so gekonnt, dass ihr Ruf bis in die heutige Zeit hallt.

 

Ich war schon als junges Mädchen von solch einem Geist fasziniert, muss aber einräumen, dass dieser Erfinderfunke nie auf mich übergesprungen ist. Was mich aber bis heute inspiriert ist eine Geschichte, die ihm zugeschrieben wird. Genauer gesagt seiner Mutter. 

"Eines Tages kam Thomas Edison von der Schule nach Hause und gab seiner Mutter einen Brief. Er sagte ihr: "Mein Lehrer hat mir diesen Brief gegeben und sagte mir, ich solle ihn nur meiner Mutter zu lesen geben."

 

Die Mutter hatte die Augen voller Tränen, als sie dem Kind laut vorlas: "Ihr Sohn ist ein Genie. Diese Schule ist zu klein für ihn und hat keine Lehrer, die gut genug sind, ihn zu unterrichten. Bitte unterrichten Sie ihn selbst."

 

Viele Jahre nach dem Tod der Mutter, Edison war inzwischen einer der größten Erfinder des Jahrhunderts, durchsuchte er eines Tages alte Familiensachen. Plötzlich stieß er in einer Schreibtischschublade auf ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Er nahm es und öffnete es. Auf dem Blatt stand geschrieben: "Ihr Sohn ist geistig behindert. Wir wollen ihn nicht mehr in unserer Schule haben."

 

Edison weinte stundenlang und dann schrieb er in sein Tagebuch: "Thomas Alva Edison war ein geistig behindertes Kind. Durch eine heldenhafte Mutter wurde er zum größten Genie des Jahrhunderts."

 

Nun muss man wissen, dass Edison unter einer Beeinträchtigung der Hörleistung aufgrund einer Kinderkrankheit litt. Offenbar führte eine Fehldeutung dieser zu der attestierten Minderbegabung. Wäre seine Mutter nicht so beschützend und weitsichtig gewesen, hätte dieser Brief das gesamte Leben des kleinen Jungen negativ beeinflussen können. Stattdessen glaubte sie an ihren Sohn, schluckte ihren Kummer hinunter und unterrichtete ihn von zu Hause aus. Die Welt wäre wahrscheinlich um ein Genie ärmer, wenn Edisons Mutter nicht so liebevoll gehandelt hätte. 

 

Manch einer könnte nun meinen, dass alternative Reaktionen auf die attestierte geistige Beeinträchtigung wie "Ich zeige es euch allen."  oder "Jetzt erst recht." ebenso zu Edisons außergewöhnlicher Laufbahn führen hätten können. Mag sein, doch viel wichtiger erscheint mir ein anderer Punkt. Und zwar die Bedeutung der Weitsicht. Manchmal muss man Menschen vor der Grausamkeit der "Gesellschaft" schützen. Nicht, weil sich die Opfer nicht wehren könnten, sondern weil die "Gesellschaft" sich irrt. Das "Unbequeme" loszuwerden scheint für manche wichtiger zu sein als genauer hinzusehen. Auch werden die Kosten des anderen oft einfach ausgeblendet. Ich möchte nicht so ein Mensch sein und entscheide mich für meinen alternativen Zugang. Ich zeige auf, warum Menschen einzigartig sind und dass selbst kleine Bemühungen großen Respekt verdienen. Denn wem ist geholfen, wenn die (mehr oder weniger qualifizierten) Meinungen verurteilen? Muss wirklich jede Meinung mitgeteilt werden? Und wer entscheidet über die Allgemeingültigkeit? 

 

Weitere Impulse zu dem Thema erfahren Sie in meinem Buch KRÄNKUNGEN - Was sie wert sind und wie wir sie überwinden.

 

Herzlichst, Tamara Nauschnegg

 


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