Es gibt ein Leben nach der Niederlage

Allzu häufig bestimmen Niederlagen den Wert des Menschen. Oder schlimmer noch: Oft genug vermuten unsere Mitmenschen hinter einem Misserfolg generelle Unfähigkeit. Insbesondere die Denkkultur Mitteleuropas betrachtet Niederlagen gerne unter dem Brennglas und lässt sie zum überdauernden Stigma werden. Doch soweit muss es nicht kommen. Zu scheitern ist eine Frage der Definition und Rückschläge sind nicht das Ende. Lassen Sie sich im Folgenden von den Geschichten fünf ausgewählter Persönlichkeiten inspirieren, die bereits wissen, wie es weitergeht, wenn alles zu Ende scheint.

 

Albert Einstein

In den ersten Lebensjahren Albert Einsteins' hatte es keineswegs den Anschein als würde ein Genie heranwachsen. Er sprach lange kein Wort, war jähzornig und verhielt sich auch sonst eher "merkwürdig", wie Zeitzeugen berichteten. Im vierten Lebensjahr machte seine Sprachentwicklung schließlich deutliche Fortschritte und erst im Alter von sechs Jahren verschwanden allmählich seine unkontrollierbaren Wutanfälle. Heute sagen ihm einige Ärzte sogar autistische Züge nach. In der Schule stach er durch außergewöhnliche Leistungen in den Naturwissenschaften und Mathematik heraus, hatte aber im sprachlichen Bereich nur mittelmäßige Noten. Frustriert vom Unterricht brach er die Schule ab und fiel sogar durch die Aufnahmeprüfung für eine fortführende Schule. Als Einstein schließlich doch noch angenommen wurde, empfahl ihm sein Physikprofessor, Medizin, Juristerei oder Philologie zu studieren - für das Lehren der Physik wäre er nicht gut genug. Doch Einstein blieb hartnäckig, keck und gelassen. Er begnügte sich damit, ein mittelmäßiger Student zu sein und blieb schließlich auch unbekümmert, als ihm nach seiner Ausbildung keine Assistentenstelle an der Schule angeboten wurde. Einsteins Rückschläge auf dem Weg zum Genie inspirieren auch heute noch zahlreiche Heranwachsende (Wie Einsteins Rückschläge motivieren) und widerlegen die Annahme, dass man zum Genie geboren sein muss.

 

Auguste Rodin

Auguste Rodin war Bildhauer und Zeichner, gilt als Wegbereiter der Moderne und inspirierte vor allem mit Werken auf dem Gebiet der Plastik und Skulptur zahlreiche Künstler/innen weltweit. Er versuchte dreimal vergeblich an einer berühmten Pariser Universität aufgenommen zu werden, um Bildhauerei zu studieren. Rodins Vater zweifelte oftmals sogar an der Intelligenz seines Sohnes und ließ ihn seine Geringschätzung spüren. Ohne akademische Ausbildung gelang es Rodin dennoch von einem Lehrmeister unter die Fittiche genommen zu werden. Doch scheiterte diese Zusammenarbeit aufgrund persönlicher Diskrepanzen. Unerschütterlicher Mut und der Glaube an seine Kunst ließen ihn als Einzelkämpfer schließlich doch noch erfolgreich werden. Sein Geheimnis ist naheliegend und entzaubernd zugleich: "Welche Geduld, welche Zähigkeit verlangt die Kunst! Nichts ohne Arbeit!"

 

Michael Jordan

Einer der berühmtesten Basketballspieler der Welt ist unbestritten Michael Jordan. Er veränderte die Basketballwelt und das, obwohl es anfänglich nicht gut um seine Karriere bestellt war. Schon beim ersten Versuch, in das Basketballteam seiner Highschool aufgenommen zu werden, scheiterte er kläglich. Erst sein konsequentes Training, gepaart mit einer großen Portion Ehrgeiz, führte in den darauffolgenden Jahren dazu, dass er doch noch spielen durfte und Talentescouts von sich überzeugen konnte. Trotzdem war er im Collegebasketballteam anfangs nur Mitläufer und selbst nachdem sein Talent offensichtlich wurde, wählten ihn die Chicago Bulls  1984 erst als dritten Spieler in die Profiliga. Am Zenit seiner Karriere bringt Jordan den Grund für seine zahlreichen Siege wie folgt auf den Punkt: "Ich habe in meiner Karriere mehr als 9.000 Würfe verfehlt. Ich habe beinahe 300 Spiele verloren. 26 Mal wurde mir der alles entscheidende Wurf anvertraut und ich habe nicht getroffen. Ich bin immer und immer wieder in meinem Leben gescheitert. Und das ist der Grund, warum ich gewinne."

 

Manuel de los Santos

Der Dominikaner Manuel de los Santos war Profi-Baseballspieler als er bei einem Unfall ein Bein verlor. Seine Karriere und sein Lebensmut waren mit einem Mal dahin. Es brauchte ganze 1,5 Jahre, um sich mit der neuen Situation zu arrangieren. Als er eines Tages den Film "Die Legende von Bagger Vance" sah, nahm sein Leben eine Wendung. Der Film handelt von einem Golfspieler, dem es durch den Sport gelingt, ein Trauma zu überwinden. Manuel de los Santos fühlte sich so sehr inspiriert, dass er beschloss, Golfen zu lernen. Er trainierte hart und fand allmählich zurück ins Leben. Heute spielt er Turniere auf der ganzen Welt. Gegen Menschen mit und ohne Behinderung. Er ist glücklicher denn je und würde, wenn er es sich aussuchen könnte, ein Leben mit Baseball und zwei Beinen jederzeit gegen sein heutiges Golferleben auf einem Bein tauschen.*

  

Steve Jobs

Der Mensch Steve Jobs ist auch heute noch - Jahre nach seinem Tod - der Inbegriff für Inspiration, Fortschritt und Leidenschaft. Aber auch Misserfolg und persönliche Krisen nahmen viele Jahre seines Lebens ein. Dem Studienabbrecher gelang - mit der Gründung der Firma Apple - zunächst ein fulminanter Aufstieg. Geld, Ruhm und Einfluss begleiteten ihn bis er eines Tages von ehemaligen Verbündeten gekündigt wurde. Die Demütigung - aus der eigenen Firma geworfen zu werden - wollte Jobs mit der Gründung einer neuen Firma wettmachen. Doch er scheiterte zunächst auch hier auf ganzer Linie. Er verlor beinahe sein gesamtes Vermögen und Ansehen. Die persönlichen Krisen zeichneten ihn, er wurde regelrecht verbittert. Insbesondere seine Mitarbeiter/innen bekamen die innere Zerrissenheit zu spüren. Dennoch gelang es ihm, sich über all den Spott der Presse zu erheben, sich persönlich weiterzuentwickeln, wieder fokussiert zu arbeiten und mit seiner Firma Pixar - in Kooperation mit Disney - den Kassenschlager "Toy Story" herauszubringen. Als er schließlich elf Jahre nach seinem Rausschmiss wieder bei Apple einstieg, begann er in die Geschichte einzugehen. Aber sein Glück währte bekanntlich nicht lange. Er erhielt 2003 die niederschmetternde Diagnose Krebs. Doch anstatt kürzer zu treten, arbeitete er unermüdlich weiter und machte immer wieder mit leidenschaftlichen Vorträgen auf sich aufmerksam. Seinen wohl emotionalsten finden Sie im folgenden Video. Er berichtet in seiner Rede - aus der Perspektive eines kranken Mannes - über sein Leben, gewonnene Erkenntnisse und wofür es sich zu leben lohnt. 

 

 

Diese Biografien stehen stellvertretend für die Millionen Geschichten, die tagtäglich auf unserer Welt geschrieben werden. Sie zeigen, dass wir alle zahlreiche Niederlagen, Demütigungen und Rückschläge zu ertragen haben und niemand davon verschont bleibt. Berühmt oder nicht. Sich aus den dunkelsten Stunden zu erheben, sich neu zu orientieren und weiterzugehen sind wesentliche Aufgaben des Menschseins. Vor allem jene Menschen scheitern vermehrt, die den Mut haben, neues Terrain zu erobern, ungewohnte Wege zu gehen und nicht darauf zu warten, bis das Glück an die Türe klopft. Anders gesagt: Manchmal muss man das Risiko zu scheitern in Kauf nehmen und seinen Träumen folgen.

 

Ich persönlich kenne Niederlagen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit nur zu gut. Doch halte ich es auch wie Steve Jobs. Er erzählt in der oben erwähnten Rede davon, Verbindungslinien zwischen Ereignissen zu ziehen. Und zwar rückwirkend. Aus jeder Situation lässt sich etwas Wertvolles mitnehmen, auch wenn der Schmerz noch so groß ist. Vielleicht ist die Lektion von heute der Erfolg von morgen? Nicht alles hat einen Sinn, aber ich vertraue darauf, etwas Sinnvolles daraus zu machen.

 

Herzlichst, Tamara Nauschnegg

 

 

*Schmiegel, C.: "Man muss an sich glauben". http://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handicap-golfer-de-los-santos-man-muss-an-sich-glauben-1.2565072, Online: 04.05.2017.

 

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