Heike Salzwimmer: Gebt den Kindern viele und schöne Worte

Heike Salzwimmer
Heike Salzwimmer

„Wie bist du dazu gekommen, Kinderbücher zu schreiben?“, ist eine oft und gern gestellte Frage an mich. Retrospektiv kann ich sagen, es waren vielerlei Gründe ausschlaggebend und auch eine gewisse Portion Fügung. Als einen der gewichtigsten Gründe sehe ich meine Liebe zur deutschen Sprache. Das Spiel mit den Worten machte mir schon immer ungemeine Freude, ich verehre die Vielfalt unserer wunderschönen deutschen Ausdrücke und bereits mit zwölf Jahren habe ich meine ersten Kurzgeschichten geschrieben. Und da ich diese meine Leidenschaft natürlich den wichtigsten kleinen Menschen in meinem Leben, meinen beiden Kindern, von Anfang an näherbringen und vermitteln wollte, fing ich früh an, ihnen meine Freunde - die Bücher - vorzustellen.

Die Crux  war jedoch, dass ich zu viele Kinderbücher (vor-)lesen musste, die in so einfachem Deutsch und mit so farblosen Wörtern geschrieben waren, dass mir vor Langeweile und Witzlosigkeit die Lust am Vorlesen vergangen ist. Ich hatte leider bei vielen Kleinkinderliteraturwerken nicht das Gefühl, einen wichtigen Beitrag in Richtung Sprachgefühl oder Leselust zu leisten. So begann ich irgendwann meiner Tochter selbst erfundene Geschichten, die ich bunt und wortreich ausmalte, zu erzählen. Geschichten von Eichhörnchen, denn die mochte sie so gerne. Vorzugsweise verwendete ich aber den Ausdruck "Eichkatzerl“, wie wir Österreicher/innen auch sagen. Denn ein bisschen von unserem charmanten Dialekt wollte ich einfließen lassen. Christine Nöstlinger hat leider für die ganz Kleinen nichts geschrieben, sonst wäre sie meine erste Wahl gewesen, ihre Österreichisch-Deutsch-Vokabelseite am Ende ihrer Bücher hat mich schon als Kind amüsiert und mit Stolz für unsere besonderen österreichischen Bezeichnungen erfüllt. Im gesamten deutschsprachigen Raum wusste man dank ihr, was "Powidl“ war. J

 

Grundsätzlich versuchte ich mich an althergebrachte, bewährte Kinderbücher zu halten und  musste entsetzt feststellen, dass in Mira Lobes "Bimbuli“ der kleine Ausreißer am Ende fast "durchgehauen“ worden wäre und die Mutter von "Dumbo“ ins Irrenhaus gesperrt wurde, nachdem sie ihren kleinen Sohn mit den großen Ohren verteidigte, als die anderen Elefanten ihn auslachten und auf ihn losgingen. Hatte ich die Brutalität vieler Geschichten aus meiner Kindheit verdrängt, war es mir nie aufgefallen, wie unlieblich die Bücher oft waren, die mir vorgelesen worden waren?? Dass "Grimms Märchen" nicht wirklich eine Alternative darstellten, sollte keiner weiteren Erklärung bedürfen… J

  

Jedenfalls wurden Wipfelhüpfel und Springinsblatt (so nannte ich die zwei Eichkatzerl) unsere treuen Begleiter und es war beglückend zu sehen, dass die Lehren, die den Eichhörnchen zu Teil wurden, bei meiner Tochter besser ankamen als so manch elterliche Standpauke. Deswegen wurden auch die Geschichten immer mehr vom Alltag und unseren präsentesten Themen geprägt.

 

Mit zunehmendem Alter begann auch mein Sohn bei den Geschichten mitzuhören und ich bemerkte, dass er ein anderer Lerntyp war als meine Tochter. Er benötigte etwas zum "Festhalten", etwas für die Augen. Angefeuert von meiner Familie, doch aus den Geschichten Bücher zu machen, die dann allen Kindern zugänglich gemacht werden könnten, fing ich an, wie wild Eichhörnchen zu zeichnen, um einem möglichen Verlag plastisch erklären zu können, wie ich mir das fertige Buch vorstellen würde und wie die professionell gefertigten Illustrationen in etwa aussehen könnten. Ich zeichnete Eichhörnchen über Eichhörnchen, aber sie wollten einfach nicht gelingen. Die geübteste Zeichnerin war ich natürlich auch nicht, hatte ich doch seit meiner Gymnasialzeit nur mehr für Gesellschaftsspiele wie Activity und dergleichen gezeichnet. Gerade als ich schon aufgeben wollte, gelang mir doch noch ein ganz ansehnliches Tierchen und meine Kinder erkannten sogar, dass es sich um ein Eichhörnchen handelte und waren regelrecht entzückt davon. Ich malte eine Zeichnung nach der anderen und es machte mir immer mehr Spaß, die Bilder in meinem Kopf aufs Papier zu bringen. Irgendwann druckte ich die Bilder aus und heftete sie zusammen. Nun hatte ich auch meinen Sohn für die Geschichten entflammt. Die Zeichnungen waren das fehlende Element gewesen.

 

So schickte ich mein Experiment an mehrere Verlage und als ich Antwort bekam, war ich erstaunt, dass mir kein professioneller Zeichner angeboten wurde, sondern dass sie meine Illustrationen nehmen und das Buch so wie es war drucken wollten. Dank der Begeisterung meiner eigenen und auch der Kinder meiner Freunde, die als erste das fertige Buch in den Händen hielten, verstand ich aber bald, dass die Bilder bei den Kindern gerade durch ihre nicht perfekt gezeichnete, individuelle Art gut ankamen. Die kleinen Details waren es, auf die es bei den Kindern ankam und die sie begeisterten. Und so zeichnete ich weiter, getreu des von mir schon seit jeher beherzigten Leitsatzes von Cicero  "Suche nicht andere, sondern dich selbst zu übertreffen“.

 

Das Ziel, meine Kinder für das Lesen und die Sprache zu begeistern, habe ich bei meiner Tochter schon mehr als erreicht. Sie hat bereits vor Schulbeginn selbständig zu lesen begonnen und ist eine Leseratte, wie sie im Buche steht. Und auch mein Sohn liebt Bücher und kann sich über Stunden mit Schmökern die Zeit vertreiben, sodass ich guter Hoffnung bin, dass auch er über kurz oder lang flüssig und begeistert lesen wird.

 

In letzter Zeit hat sich, was das Lesen betrifft, zum Glück generell einiges getan. Es wird in vielen Artikeln darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass Kinder gut lesen lernen ("In jeder fünften Familie wird nie vorgelesen"), zahlreiche Experten/innen setzen an diesem Punkt verstärkt an und der Griff zum Buch wird wieder mehr lanciert. Wer gerne und gut liest, kann auch besser rechtschreiben und  sich gewandt ausdrücken. Das könnte die - durch diverse Pisa-Tests nur zu schmerzlich bewiesene - stetig enger werdende Negativ-Spirale der Bildung wieder in optimistischere Bahnen lenken…  Deswegen rate ich allen Eltern, Großeltern und Kinderbetreuer/innen: Lest den Kindern viel und schon früh vor, traut ihnen auch durchaus "schwere“ Kost zu. Man muss neue Worte einfach erklären. Denn wie sollen die Kinder einen umfangreichen Wortschatz bekommen, wenn wir ihnen immer die gleichen Worte präsentieren und sie nie neue entdecken dürfen?

 

Ich bin froh, dass ich durch meine Lesungen und Bilderbuchkinos auch anderen Kindern eine Freude machen kann. Wann immer sie an den dafür vorgesehenen Stellen lachen und mitfiebern geht mir das Herz auf und es ist wunderschön, wenn Kinder ruhig und gebannt an meinen Lippen hängen! Und da ich jeden Tag einen unerschöpflichen Pool an Anregungen für neue Geschichten bei mir zuhause vorfinde, darf ich bereits verraten, dass in absehbarer Zeit eine weitere Buchveröffentlichung geplant ist! J


Heike Salzwimmer ist leidenschaftliche Kinderbuchautorin und hat ihren Traum zum Beruf gemacht.  Sie verfolgt ihre Projekte mit Herzblut, Fleiß, Geduld und vor allem mit dem großen Wunsch, wertvolle Samen in unseren Kindern zu säen. Liebe Heike, verzaubere unsere lieben Kleinen unbedingt weiter. Ich freue mich schon auf dein nächstes Werk und werde alle deine Bücher weiterhin gerne kaufen!